Und sie dreht sich doch!
Am 22. Juni 1633 fand in Rom der Prozess gegen den Astronomen Galileo Galilei statt. Ihm wurde vorgeworfen, das – heute – Selbstverständliche gesagt zu haben: Die Erde ist keine Scheibe und sie dreht sich um die Sonne. Dass freilich war vor knapp 400 Jahren eine Ungeheuerlichkeit und bedeutete Ungehorsamkeit gegenüber der Kirche. Die ließ sich das nicht gefallen und schickte die heilige Inquisition. Der Rest der Geschichte ist bekannt.
Heute heißt die Inquisition Abmahnung und Einstweilige Verfügung und ihr Folterknecht ist das Landgericht Hamburg. Dort wird am kommenden Dienstag der Fall des Regensburger Journalisten Stefan Aigner verhandelt, der sich seine eigenen Gedanken zu den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche gemacht hatte – die sich aber von denen des Klerus deutlich unterschieden. Die Sachlage ist unbestritten: 1999 vergriff sich ein pädophiler Pfarrer in Viechtach im Bistum Regensburg an zwei Kindern. Als die Sache aufflog, unterschrieben die Opferfamilie, der Täter und das Bischöfliche Ordinariat eine gemeinsame Vereinbarung, in der die Zahlung von insgesamt 6.500 Mark „Schmerzensgeld” vereinbart wird. Und: „Im wohlverstandenen Interesse der Kinder und auf ausdrücklichen Wunsch der Eltern soll Stillschweigen gewahrt werden.”
Ist das nun „Schweigegeld” oder nicht? Oder darf man darin zumindest eine Art „Schweigegeld” sehen? Stefan Aigner jedenfalls bot dem Bistum Regensburg nach der ersten Abmahnung folgende Formulierung als Kompromiss an: „[Dass die Geldzahlung] nicht nur in den Augen unserer Redaktion den Beigeschmack einer Schweigegeldzahlung hat”. Darauf jedoch ging die Diözese nicht ein und erwirkte eine Einstweilige Verfügung beim Landgericht Hamburg, wo nun am kommenden Dienstag mündlich darüber verhandelt wird.
Man weiß nicht, was Stefan Aigner am 11. Januar 2011 sagen wird, wenn er das Gerichtsgebäude verlässt. Aber dass die Erde sich um die Sonne dreht und dass die Geldzahlung in den Augen vieler Menschen den Beigeschmack von Schweigegeld hat, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.
Vor Gericht und auf Hoher See ist man in Gottes Hand. Hoffentlich nicht.
Der Prozess findet am Dienstag, den 11. Januar um 13.30 Uhr, vor dem Landgericht Hamburg, Sievekingplatz 1, 20355 Hamburg statt. Den Vorsitz führt Richter Andreas Buske(ismus). Um zahlreiches Erscheinen wird gebeten.
(@oliverg)
Nun, fragt sich halt auf wessen Seite Gottes Hand in dieser Sache ist oder wäre oder so.
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(@loewe23)
Gute Frage. Der Eindruck eines Schweigegelds liegt nahe. Interessant: Die Beteiligten scheinen primär in Regensburg ansässig, der Prozess findet in Hamburg statt. Warum? Weil das dortige Gericht den Ruf besitzt - wie es zumindest bei Interneturteilen kolportiert wird -, klägerfreundlich zu urteilen?
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Das Verfahren 325 O 153/10 ist nicht bei Buske, sondern in der Zivilkammer 25 beim Richter Schulz. Dieser Richter urteilt z.T. schlimmer als Buske.
In die Zivlkammer 25 gelangen die reinen Interentsachen, bei denen es parallel keine Printerzeugnisse gab.
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@Rolf Danke für den Hinweis. Ich hatte bisher andere Informationen.
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