Förderfonds Mut zur Meinung
Abmahnungen im Internet und Einstweilige Verfügungen gegen Blogger, die von ihrem Recht auf freie Meinungsäußerung Gebrauch machen, beschäftigen die Blogosphäre mehr und mehr. Besonders schmerzhaft sind solche Fälle, wenn der betroffene Blogger nüchtern betrachtet keinen Fehler gemacht hat, keine falsche Tatsachen behauptet oder niemandes Ehre abgeschnitten hat. Dennoch werden manche abgemahnt oder erhalten gar eine Einstweilige Verfügung (oft genug vom Landgericht Hamburg, weil das besonders pressekritisch urteilt). Unerträglich an diesem Vorgehen ist der Einschüchterungseffekt, den dieses juristische Vorgehen hat: andere Bürgerinnen und Bürger, die davon erfahren, können davor zurückschrecken, Geldzahlung als Schweigegeld einzuschätzen oder auf die Praktiken von Konzernen aufmerksam zu machen.
Denn: Recht haben und Recht bekommen hängen manchmal auch vom Geldbeutel ab.
Viele betroffene Blogger waren weder im einem journalistischen Verband organisiert, noch hatten sie eine Rechtsschutzversicherung oder diese wollte die Kosten nicht übernehmen. Die Folge: Abmahnungen wurden, auch wenn sie ungerechtfertigt waren, ohne gerichtlichen Widerspruch hingenommen.
Wir brauchen einen Unterstützungsfonds, der Menschen, die gegen eine ungerechtfertigte Abmahnung Widerspruch einlegen wollen, Geld für den Klageweg zur Verfügung stellt und damit hilft, das finanzielle Risiko zu verringern.
Dieser Fonds soll ausschließlich dann einspringen, wenn eine ungerechtfertigte Abmahnung wegen Meinungsäußerungen oder der Verbreitung von wahren Aussagen gerichtlich angefochten werden soll und wenn Versicherungen nicht einspringen (z.B. also nicht in einem Fall „Jack Wolfskin“, weil es da um Urheberrecht ging, auch nicht im Fall „Jako“, weil der Betroffene nicht gegen eine Abmahnung oder Einstweilige Verfügung Widerspruch einlegte).
Der Fonds soll Bürgerinnen und Bürger ermutigen, nicht aus Mangel an finanziellen Mittel auf gerichtlichen Widerspruch zu verzichten und für ihr Recht auf freie Meinungsäußerung aktiv zu streiten.
Hier ein erster *Vorschlag* für einen solchen Fonds
Gefördert werden die Kosten gerichtlicher Widerspruchsverfahren, die die folgenden Förderrichtlinien erfüllen:
- Ein Antrag kann von jedermann gestellt werden.
- Gefördert werden ausschließlich die Kosten, die bei einem gerichtlichen Widerspruch gegen eine Abmahnung oder Einstweilige Verfügung entstehen, nicht aber, wenn eine Abmahnung ohne Widerspruch akzeptiert wurde.
- Gefördert werden höchstens 80% der Kosten.
- Bei für den Antragsteller positiven Ausgang des oder der Gerichtsverfahren ist die Fördersumme in voller Höhe zurückzuzahlen.
- Gefördert werden die Kosten bei Gerichtsverfahren, die sich auf das Recht auf freie Meinungsäußerung oder die Verbreitung von wahren Tatsachen beziehen, nicht aber bei Urheberrechtsfragen.
- Gefördert werden keine Kosten für Abmahnungen, die entstehen, wenn kein Widerspruch eingelegt wurde.
- Gefördert werden nur Projekte, die vom Vergabegremium (s.u.) anerkannt werden.
- Geförderte Projekte müssen öffentlich dokumentiert werden.
- Ein Anspruch auf Förderung besteht nicht.
Organisation und Verwaltung
- Der Förderfonds soll von einem eingetragenen Verein (e.V.) verwaltet werden. Dieser Verein strebt die Anerkennung der Gemeinnützigkeit an.
- Die weiteren Aufgaben des Vereins sind das Anwerben von Spendengeldern und Sponsoren und die Information der Öffentlichkeit über die geförderten Fälle.
- Besondere Organe des Vereins (neben Vorstand, Kassenwart, Schriftführer) sollen sein:
Vergabeausschuss
Dieses Gremium entscheidet über die Annahme oder die Ablehnung von Förderanträgen durch Mehrheitsbeschluss. Er wird jährlich von den Mitgliedern des Fördervereins per Wahl bestimmt. Die eingereichten Anträge und die Begründungen bei einer Ablehnung sind zu veröffentlichen. Das Nähere regelt die Vereinssatzung.
Juristischer Beratungsausschuss
Dieses Ausschuss berät den Vergabeausschuss mit Bezug auf die eingereichten Förderanträge. Andere juristische Beratungen gehören nicht zu seinen Aufgaben.
Mitstreiter gesucht!
Was haltet Ihr von dieser Idee? Unter welchen Vorraussetzungen könnte man einen solchen Verein gründen? Wer will sich einbringen? Ich möchte gerne mit Gleichgesinnten an einem Satzungsentwurf für den Förderverein arbeiten. Wer mag sich beteiligen?
(@cyberfux)
EIgentlich eine gute Idee, solang das nicht wieder so ein Laberklub wird wie etliche andere Organisationen.
Auf jeden Fall würde ich mitmachen, wenn auch u.U. nur passiv, man verzeihe mir meinen Realismus, wir wissen doch alle wie eine gute Idee schnell in eine Diskussionsrunde für Genderfaschisten und RechtsLinks-Populisten verkommt…
(Antworten)
(@rootwerk)
Bingo. Genau sowas brauchen wir. Ich bin dabei. Wo muss ich unterschreiben ;-)
(Antworten)
(@Fritz)
Gebraucht wird - logisch - nicht ein solcher Fonds, sondern eine funktionierende Rechtssprechung. Wenn die im Moment nicht funktioniert, ist es in erster Linie nötig, einen Präzedenzfall bis zur höchsten Instanz durchzufechten - das wäre druchaus etwas, wo sich z.B. mal die SPD positiv profilieren könnte.
Generell vermute ich: Es hat ein Kampf begonnen zwischen der neuen, schnelleren und reichweitenstarken E-Öffentlichkeit und den Machthabern alter Provenienz, die früher immer alles so wunderbar zudecken konnten. Ein Anruf bei der Polizei, bei dem befreundeten Richter, bei der Lokalzeitung, beim Chef eines Mitarbeiters reichte da oft schon, um die Verbreitung der Skandale zu verhindern oder die Aufklärung wenigstens im Sande verlaufen zu lassen.
Heute morgen im Feed dieses Beispiel, wie es früher lief: RAStadler Neuer Blogeintrag: Enttäuscht vom Rechtsstaat http://tinyurl.com/3589opm
Solche Interventionsmöglichkeiten von denen, die etwas zuzudecken haben, werden rapide weniger bzw. die Leute, die so vorgehen, spüren allmählich die Hitze unter dem Allerwertesten - die Kirchen, die Rundfunkräte, die Politiker, die Landräte, die Vereinsvorsitzenden, die Unternehmenslenker, die Richter, die Schieber - alle diese Leute, die irgendwo oben stehen und denen Gott einen Hauch von Macht gegeben hat. Sie sind es, die diese Werkzeuge brauchen, um die Öffentlichkeit einzuschränken und abzuwehren.
Was der katholischen Kirche in den letzten Wochen um die Ohren fliegt, ist weit mehr Internet-gestützt, als es der Öffentlichkeit bewusst ist. Auch deshalb bin ich absolut überzeugt: Die Blogger müssen die Justiz mit ihren Mitteln, also den Mitteln der Blogger-Öffentlichkeit, zur Räson bringen. Wie gesagt: Ich vermute, genau diese Machtfrage ist das Kampffeld in den nächsten Jahren und die ersten Abtast-Scharmützel laufen herade.
Ich weiß nicht, ob der Fonds nötig ist. Der Fonds wäre im Prinzip eine Rechtsschutzversicherung. Wenn alle Blogger 5 Euro pro Jahren einzahlen, sollte es hoffentlich dicke reichen - was nicht gebraucht wird, könnte zurückfließen oder zu einem anderen guten Zweck verwendet werden. Die Rechtsschutzversicherung würde alle die Fälle übernehmen, bei denen ein Juristen-Beirat sagen würde: Gute Chancen auf Erfolg bzw. sollte vor Gericht geklärt werden. Und wenn die Blogger-Leser wollen, können die ja in diese Versicherung etwas dazuspenden.
Aber wie gesagt: Von Rechts wegen sollte die Versicherung überflüssig sein und das stärkere Mittel der Blogs könnte sogar das beharrliche Herstellen der unerwünschten breiten Öffentlichkeit sein.
(Antworten)
mukr antwortete am April 26th, 2010 :
Mit dem Präzedenzfall ist leider nichts gewonnen. Solche einer wurde gerade vor dem Bundesverfassungsgericht entschieden.
http://www.heise.de/tp/r4/artikel/32/32511/1.html
Nur: Das LG und OLG Hamburg lassen sich davon nicht beeindrucken sondern machen munter weiter. Warum auch nicht, sie haben nicht das geringste zu befürchten.
Insofern sehe ich als Gegenwehr im Moment auch nur die Alternative dass sich jeder der meint mit Hilfe der Hamburger Richter die Meinungsfreiheit unterdrücken zu können bewusst werden muss, das es zur Not bis zur höchsten Instanz geht. Viele spekulieren (leider zu Recht) darauf, daß dem Gegner schon rechtzeitig das Geld ausgehen wird.
(Antworten)
Förderfonds für Gerichtsverfahren dienen lediglich zur Füllung der Anwaltskassen.
Positive Musterprozesse gibt es ebenfalls genug.
Mitmischen in den Geschwüren unserer Gesellschaft ist zwar lobenswert, führt jedoch zu Vermehrung und Wachstum der Geschwüre.
Fonds und finanzielle Unterstützung bedürfern Forschungsprojekte, Hilfe für übermäßig betroffenen Opfer, Organisation politischer Aktionen, Förderugn von Ideen und Aufklärung, Unterstützung juristischer Bildung von Nichtjuristen, Aufbau von Netzwerken., Durchsetzung politishen Forderugen nach Abschaffung falscher und Annahme neuer progressiver Gesetze.
Die Hoffnung, die Situation allein über mehr Prozesse zu verbessern, ist eine Illusion.
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rootwerk
(@rootwerk) antwortete am April 26th, 2010 :
Mit einem solchen Fonds kann man sicher nicht die Gesetze und Rechtsprechung beeinflussen. Das ist auch die Aufgabe von Parteien und Politik.
Wenn aber drei, vier größere Firmen öffentlich vor Gericht zusammengefaltet werden, weil sich die abgemahnten plötzlich wehren und Öffentlichkeit erzeugen, überlegen sich die Firmen vielleicht, ob man Abmahnungen gegen *wahre Tatsachenbehauptungen* missbraucht.
Öffentlichkeit erzeugt man nicht, indem man eine Abmahnung schweigend bezahlt, sondern indem man zurückfeuert. Und Öffentlichkeit ist das einzige, was gegenüber Unternehmen und Organisationen Wirkung zeigt.
(Antworten)
Rolf Schälike antwortete am April 26th, 2010 :
Drei, vier größere Firmen brauchen keinen Fond und keine finanzielle Unterastützung. Diese haben eigene Mittel, sich zu wehren.
Das tun diese auch. Es gibt viele positive Gerichtsurteile.
Wird für finanzschwache Abgemahnten gesammelt, so fließt das Geld fast ausschließlich in die Taschen den Anwälte. Oft werden diese von den eigenen Anwälten missbraucht, denn die Rechtsprechung zu kippen ist nicht so leicht. Es sind alles Einzelfälle. Das ist der Trick.
Auch der BGH und das BVerfG entscheiden sehr unterschiedlich.
Die beschränkten gespendeten Mittel können effektiver genutzt werden.
Neben den kleinen Beträgen sind auch konkrete Leistungen angebracht. Nur so funktionieren Netzwerke.
Ohne Manpower-Unterstüzung sind Spendensammlungen nicht viel mehr als ein Ablasshandel.
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(@weltenweiser)
Was berücksichtigt werden müsste ist juristische Kompetenz. Es nutzt nämlich nichts, jedes Verfahren zu fördern. Die Erfolgsaussichten sollten von mind. einer in diesem Bereich juristisch geschulten Person den anderen Mitgliedern dargelegt werden, bevor über den Förderantrag entschieden wird. Alles andere hieße, dass Geld der Unterstützer zu verbrennen.
(Antworten)
Wie wär’s statt Fond - mit ner speziellen Rechtsschutzpolice? (Der vorgeschlagene Fond is ja prinzipiell nichts anderes wie eine Verswicherung auf Gegenseitigkeit. Da gibt’s ja auch Leute die sowas professionell machen. Wenn man sowas amateurmäßig macht kann man möglw. auch wiederum rechtliche Probleme bekommen, da die Versicherungswelt stark reguliert ist - mit Zulassungsbeschränkungen usw..)
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Thomas Pfeiffer antwortete am Mai 6th, 2010 :
Hallo,
der Unterschied zu einer Versicherung ist, dass es eben nicht auf Gegenseitigkeit beruht. Einen Antrag kann jeder stellen. Die Vergabekriterien sind nicht auf Erfolg gezielt, sondern politisch begründet.
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