Der Matthäuseffekt
„Denn wer da hat, dem wird gegeben werden, dass er Fülle habe; wer aber nicht hat, von dem wird auch genommen, was er hat“ (Mt. 25,29).
Der Volksmund macht aus diesem biblischen Zitat die Version: Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen. Dieser als Matthäus-Effekt bezeichnete Mechanismus sorgt für eine gesellschaftlich Schere, bei die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden. Im Gegensatz hierzu wird dem Internet im Allgemeinen und dem Social Web im Besonderen oft nachgesagt, dass es Zugangsvorraussetzungen zu gesellschaftlicher Teilhabe nivelliere und von bisheriger ökonomischen Macht ein Stück weit abkoppele (siehe dazu auch auf Soziales Kapital von Pierre Bourdieu)
Anders ausgedrückt: Es ist nicht mehr viel Geld oder es sind keine teuren Druckmaschinen mehr nötig, um sich Gehör zu verschaffen: Allein eine „richtige“ Botschaft ermögliche es einem Menschen zu gleichberechtigter Teilhabe am gesellschaftlichen Diskurs: Das Netz mache alle gleich (siehe dazu auch die Diskussion um Netzneutralität).
Die Reichen werden reicher, die Armen ärmer: Das Matthäus-Prinzip. (Foto: Kylemay)
15 Minuten Ruhm für alle
Eine zunächst plausible Theorie und – zumindest aus meiner persönlichen Sicht – durchaus wünschenswert: Jede und jeder hat die gleichen Chancen, unabhängig von der ökonomischen Macht. Aber ist das wirklich so? Was der Spiegel schreibt oder Sascha Lobo twittert hat eine andere Reichweite und damit Durchschlagskraft als das, was Thomas Pfeiffer schreibt. Hat Otto Normalblogger Bernd tatsächlich ernsthafte Chancen, mehr als nur die 15 Minuten Ruhm zu erhaschen, die Andy Warhol schon vor 40 Jahren vorhersagte?
Empirische Untersuchung des Matthäus-Effekts auf Twitter
Ich habe den Matthäus-Effekt empirisch untersucht. Twitter habe ich deshalb verwendet, weil ich es quasi als Drosophila der Soziologie ansehe: Man kann die Daten sehr leicht erheben und einige Mechanismen isoliert herausarbeiten.
Die grundsätzliche Untersuchungsfrage war: „Haben Twitterati mit mehr Followern ein stärkeres Followerwachstum als ‚kleine‘ Accounts?“ Berückstichtigt habe ich dabei nur jeweils aktiv-deutschsprachige Follower, also Follower, die in den zurückliegenden vier Wochen selber aktiv auf deutsch getwittert hatten. Weil Wachstum sinnvollerweise in Prozent angegeben wird, habe ich nicht den absoluten Followerzuwachs im Untersuchungszeitraum berücksichtigt, sondern den relativen Zuwachs an Followern.
Dazu habe ich die Follower von 1.267 deutschsprachigen Twitteraccounts mit mindestens 500 aktiven Followern zu zwei Zeitpunkten miteinander verglichen: Zum ersten Mal im Mai 2009 und zum zweiten Mal ein halbes Jahr später, im Oktober 2009. Meine These war, dass ‚große‘ Accounts noch größer (mehr Follower) bekommen hätten als Accouns mit weniger Followern. Diese These wurde nicht bestätigt!
Matthäuseffekt wurde nicht bestätigt
Das Followerwachstum dieser Accounts steht in keinem Zusammenhang zu der bisherigen Anzahl der Follower. Anders ausgedrückt: Auch manche ‚kleine‘ Accounts hatten ein starkes Wachstum und andere ‚große‘ Accounts wuchsen nicht schnell weiter. Es scheint sich an diesem Beispiel zu bestätigen, dass der Matthäus-Effekt, wonach die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer werden, für das Social Web wenn überhaupt, zumindest nur abgeschwächt gilt.
Im Schaubild dargestellt ist das Follower-Wachstum im beobachteten halben Jahr in Anhängigkeit von der Followeranzahl zu Beginn der Untersuchung:
Update: Hier ist zusätzlich das Schaubild für den absoluten Followerzuwachs abhängig von der Größe eines Accounts. Das Ergebnis zeigt, auch kleine Accounts können sehr stark anwachsen und über dem Zuwachs von größeren liegen. Wachstum ist von der Followerzahl unabhängig.
Gleichere Chancen für alle
Die Untersuchung sagt nichts darüber was, wann oder warum ein Twitteraccount ‚groß‘ wurde, bzw. weshalb er wächst. Es ist plausibel, dass dieses Wachstum nicht zufällig ist und auch mit Faktoren außerhalb des Social Web zu tun hat (z.B. Frau Bundesministerin Kristina Schröders Account).
Aber der Befund nährt die Hoffnung, dass die Chancen auf gesellschaftliche Teilhabe im Social Web ein wenig gleichmäßiger verteilt sind als außerhalb und nicht mehr so stark vom Zugang zu Druckmaschinen und Werbebudget abhängen. Ein bischen wenigstens.
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(@Fritz)
Das ist nicht verwunderlich. Große Knotenpunkte schöpfen in Twitter auch schneller ihr Potenzial aus. Der Grund ist, dass Twittersurfer an einem Großen Knotenpunkt mit entsprechend größerer Wahrscheinlichkeit vorbeiflanieren und dann entscheiden “gefällt mir/gefällt mir nicht”. Mit anderen Worten: Sascha Lobo et al. können nur noch durch externes Wachstum zulegen (also wenn der Twitterkosmos wächst), kleine Knotenpunkte haben demgegenüber auch noch “internes” Potenzial - was aber natürlich auch davon abhängt, wie interessant die Mitteilungen überhaupt sind. Ich z.B. twitter nur ziemlich zusammenhangloses Zeug, nicht besonders stringent und selten allgemein interessant. Von daher “stabil auf niedrigem Niveau”. Andere sind sicherlich potenzialreicher und die werden dann eine Zeitlang schnell wachsen, bis das jeweilige interne Potenzial annähernd abgegrast ist.
(Antworten)
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Das sehe ich nicht so: Deine Daten stützen den Matthäus-Effekt durchaus. Du benutzt nur den falschen Indikator.
Wenn Du nur die relative Wachstumsrate in % benutzt, lässt Du natürlich unter den Tisch fallen, wie groß das Wachstum absolut ist.
Einfaches Beispiel: Bei 100% Wachstumsrate gewinnt ein kleiner Twitter-Account mit 1 Follower eben nur 1 Follwer hinzu, ein großer mit 5000 Followern aber 5000. Du würdest sagen: Die Wachstumsrate ist doch gleich groß! Aber das absolute Wachstum ist bei großen Accounts im selben Zeitraum (in diesem Beispiel) 5000-mal so groß.
Man könnte also auch sagen: große Accounts wachsen schneller, oder wer da hat, dem wird gegeben = der Matthäus-Effekt.
PS: Versuch doch mal, das absolute Wachstum der Accounts in Relation zueinander (!) zu setzen.
PPS: Magst Du mir dein Excel-Datenblatt schicken? Dann schicke ichs Dir gerne mit angepasster Formel zurück.
(Antworten)
Thomas Pfeiffer antwortete am April 19th, 2010 :
Hallo Florian,
danke für den Tipp. Hab noch ein zweites Chart eingefügt.
Der Matthäus-Effekt besagt ja, dass größere Accounts mehr Chancen haben, zu wachsen. Genau das konnte ich auf Twitter aber nicht nachweisen.
(Antworten)
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@ChristophKappes fragte mich auf Twitter, warum nur Accounts mit mehr als 500 Followern berücksichtigt wurden.
Meine Antwort:
Bei diesen Accounts kann ich davon ausgehen, dass sie “irgendwie” an einem Follower-Wachstum interessiert sind. Jemand mit - sagen wir - 90 Followern hat unter Umständen gar kein Interesse, mehr Reichweite zu bekommen. (Und bevor jetzt die Bernds kommen: Mehr Follower zu bekommen ist schon schön :-)
(Antworten)
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(@thesandworm)
Die Studie sieht auf den ersten Blick interessant aus, wenn man sich aber genauer damit beschäftigt ist sie meiner Meinung nach wenig aussagekräftig. Twitteraccounts sind per se sehr heterogen. Um überhaupt eine Aussage darüber treffen zu können, ob der Matthäuseffekt für Twitteraccounts zutrifft, müsste man also auch einbeziehen, wie aktiv von den jeweiligen Accounts selbst getwittert wurde - das sorgt schließlich für follower - und auch welcher Inhalt getwittert wurde. Manche Twitteraccounts sind interessanter (Politik, Webnews, Promifaktor etc.) und finden daher leichte eine Anhängerschaft. Diesbezüglich kann man auch nach deiner Studie noch nicht sagen, ob der Matthäus Effekt nun für Twitteraccounts zutrifft oder nicht.
(Antworten)
Thomas Pfeiffer antwortete am April 22nd, 2010 :
Hallo,
es sind nur solche Accounts als Follower berücksichtigt worden, sie selber aktiv twittern. Auch die Originalstudie zum Matthäuseffekt berücksichtigte nicht die Inhalte der Zitate, sondern nur, dass vielzitierte auch wieder mehr zitiert wurden, *unabhängig* von deren Inhalt.
(Antworten)
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Hallo Herr Pfeiffer,
vieles deutet darauf hin, dass das Social Web sehr “kapriziös” ist, d.h. wenig vorherseh- und damit auch wenig planbar.
Aus Unternehmenssicht betrachtet: glauben Sie, dass der „Matthäus-Effekt“ ganz allgemein im Social Web nicht, oder nur bedingt zutrifft? Wie hoch schätzen Sie Zufallsfaktor in Bezug auf Erfolg oder Nicht-Erfolg einer Community, respektive Twitter-Accounts oder YouTube Channels?
(Antworten)
Thomas Pfeiffer antwortete am Oktober 29th, 2010 :
Evtl. könnte man Anleihen aus der Chaostheorie nehmen, um virale Effekte zu verstehen. Auch Malcom Gladwells Tipping Point bietet einige Erklärungsansätze hierfür.
(Antworten)
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Der gewöhnliche 0815 User lebt, genährt von Mainstream-Nachrichtenquellen, in einer Scheinwelt, die von Gefälligkeitszitaten und Zitierkartellen, aus Auflagenstärken und Sendeleistung von Massenmedien erzeugt wird.
Nicht nur in der Soziologie, sondern auch bezogen auf Traffic im Internet wird in Anspielung auf Mt25,29 von einem Matthäus-Effekt oder Matthäusprinzip gesprochen.
Das derzeitige Netz fördert die Meinungsmache der Reichen und Mächtigen. Reichtum korreliert mit Bekanntheit. Die Agentur, die alle Werbestrategien von viral bis SEO voll ausschöpft, kann sich nicht jeder leisten.
Die Stimme des kleinen Bloggers Unbekannt ist leiser als die des an riesige Propagandamaschinen gekoppelten Medienstars, da ein professionelles Marketing die von Ranking-Algorithmen abgefragten hunderterlei Qualitätskriterien vorgaukelt.
Die von SEO und Suchmaschinenmonopolen erschaffene künstliche Popularität im Web steht in einem bestimmten Verhältnis zu Ethik, Politik, Moral und Lautstärke.
Spannenderweise spielt die Aussage Jesu Christi “Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben” auch im Kontext von Information Retrieval und SEO eine große Rolle.
Welche der vielen Wahrheiten wird sich in den Suchmaschinenergebnissen durchsetzen, wenn Jesus DIE Wahrheit, also objektive Wahrheit ist ?
So müßte dann ungeachtet jeglicher citation quotes oder uncitedness von Wissenschaftlern die christliche Wahrheit voller radikalökologischer und antispeziesistischer Gerechtigkeit und Freiheit in den Suchmaschinenergebnissen aufgrund ihres hohen Wahrheitsgehalts ganz vorne stehen, da Qualität von Menge, Gewicht und Autorität der Links,
Autorität, Verständlichkeit, Korrektheit, Objektivität, Signifikanz, Glaubwürdigkeit, Umfang, Relevanz, Ästhetik, Kontaktmöglichkeiten, Gebrauchstauglichkeit, Benutzbarkeit, Zuverlässigkeit, Gültigkeit, Bedeutung, Übersichtlichkeit, Einmaligkeit, Interaktivität, Multimedialität, Service für den User, Übertragbarkeit, Ausdrucksweise und Pagerank abhängt.
Früher habe ich mich bei vielen Suchmaschinenabfragen grundsätzlich erstmal bis zur 20.Seite der Suchmaschinenergebnisse geklickt, um die qualitativ relevanteren
Informationen zu finden, heute mache ich das nicht mehr, nutze jedoch immer noch mindestens 10 verschiedene Suchmaschinen (auch wenn ich viel mehr kenne).
Joyce Meyer erhält des öfteren für einen einzigen Satz auf Facebook über 50000 “gefällt mir” klicks,
und ihre Ministries gefallen dort immerhin fast 2 Millionen Leuten. Das kann ein Facebook-Nutzer mit wenigen Freunden nicht von sich behaupten.
Erst kürzlich haben die Facebook Data Teams anhand einer Studie die Relevanz von starken Verbindungen nachgewiesen
und auch die Journalistenakademie will uns nahelegen, daß eine gute Social-Media-Strategie in die gesamte PR-Strategie der jeweiligen Organisation eingebettet sein soll.
Und weiter im Neuen Testament : Matthäus 5,37 (auch Jakobus 5,12) könnte vielleicht sogar als Binärcode betrachtet werden? : “Es sei aber eure Rede: Ja, ja; nein, nein; was aber mehr ist als dieses, ist aus dem Bösen”.
Dieser Satz spricht sich wiederum völlig gegen einen fluffigen Schwarm aus redundanten Zitaten, Backlinks und pseudowissenschaftlichen Artikeln aus, die im Aktualitätswahn nur Qualität und Informativität suggerierend verfaßt wurden, um die Anforderungen von Marktmechanismen der publizistischen Medienmaschinen auf dem Informationsmarkt ebenso mechanisch zu bedienen.
(Antworten)
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sorry, korrektur meines kommentars vorhin : die fb-studie beweist die relevanz von SCHWACHEN verbindungen
(Antworten)