Wirtschaftsflüchtlinge? Welche Wirtschaftsflüchtlinge?
Kommen die jetzt alle zu uns nach Bayern? 23.000 allein in diesem Jahr schon auf Lampedusa, der idyllischen Insel im Mittelmeer. Sind Wirtschaftsflüchtlinge, die Destruenten in der spätrömischen Dekadenz Deutschlands? Europa hat mehr als 700.000.000 Einwohner.
Anne Will machte das gestern zum Thema und lud dazu auch den bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) ein sowie einen anderen Sarrasisten, den ich weder verlinken noch namentlich nennen will. Der Alpengaddafi darf nun also am Sonntag Abend darüber schimpfen, dass er zwar nicht wisse, wie viele Menschen gerade auf dem Meer in Seenot treiben und um ihr Leben bangen, dass es aber auf jeden Fall zu viele seien. Und überhaupt: das seien ja nur Wirtschaftsflüchtlinge, weil so wenig von ihnen einen Asylantrag gestellt hätten.
Was ist ein Wirtschaftsflüchtling?
Gehen wir doch mal mit neoliberal spitzer Zunge an die Sache heran: Ein Wirtschaftsflüchtling ist jemand, der Eigenverantwortung übernimmt, der sich auf die Reise macht und ein hohes Risiko eingeht, der investiert und hofft, dass der Return on Investment das eingegangene Risikokapital (Geld und Leben) übersteigt. Ein echter Unternehmer also. Woher also der Groll?
1.500 € plus/minus kostet so eine Überfahrt von Afrika nach Europa – ohne Spesen, Hunderte sterben bei der Überfahrt. Den Unternehmer muss man im deutschen Mittelstand erst mal finden, der sein Leben auf’s Spiel setzt für seine Firma. Niemand, der diesen Höllentrip mitmacht und dafür seine gesamten Ersparnisse opfert, macht das, um uns hier auf der Tasche zu liegen. Wie dumm muss die CSU sein, um zu glauben, dass es Menschen gibt, die für eine soziale Hängematte ihr Leben auf’s Spiel setzen und diese Strapazen auf sich nehmen? Dafür geht niemand solch ein hohes Risiko ein!
Der Wirtschaftswissenschaftler Amartya Sen stellte fest, dass es in keiner funktionierenden Demokratie jemals zu einer Hungersnot gekommen ist. Hunger ist normalerweise ein Problem der Nahrungsmittelverteilung, nicht ein Mangel an Nahrung. Insofern ist, wer aus sogenannten wirtschaftlichen Gründen seine Heimat verlässt und sich in Todesgefahr begibt, jemand, der auch den politischen Verhältnissen dort zu entkommen sucht, bzw. versucht, in der Fremde für seine daheim gebliebene Familie zu sorgen. Wer möchte es ihnen verdenken? Zumal wenn man weiß, dass Wirtschaft und Politik in Afrika zu großen Teilen von Europäern zum Schlechteren beeinflusst wurden und werden.
Zeigt mir den deutschen Mittelständler, der eine Runde Russisches Roulette spielt, nur weil er hofft, eine 2.000 €-Sofortrente zu gewinnen!
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