• „Wir nennen es Googliness“ - Stefan Keuchel, Pressesprecher von Google Deutschland, über Unternehmenskultur und Innovationen bei Google

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    Thomas Pfeiffer, Michael Meister: Google wurde im vergangenen Jahr erneut zum beliebtesten Arbeitgeber gewählt . Hat Dich das überrascht?

    Stefan Keuchel: Ehrlich gesagt, nein, denn wir haben im vergangenen Jahr weltweit 1,3 Millionen Bewerbungen bekommen. Eingestellt davon wurden unter einem Prozent. Viele Gründe für diese Beliebtheit sind sehr individuell. Es gibt aber sicher einige verbindende Elemente. Google ist zum einen eine spannende Firma, eine Marke, die inzwischen globale Bedeutung erlangt hat. Zum anderen ist Google ein sehr ungewöhnlicher Arbeitgeber, der viele Annehmlichkeiten bietet. Nehmen wir als Beispiel das Thema Essen. Mitarbeiter bei Google werden kostenlos komplett rundum-versorgt – und zwar mit großartigem Gourmet-Essen. In unserem Sitz in Mountain View (Kalifornien) gibt es 15 unterschiedliche Cafés für jeden

    Trägt nur selten Anzug: Der Pressesprecher von Google Deutschland, Stefan Keuchel.

    Trägt nur selten Anzug: Der Pressesprecher von Google Deutschland, Stefan Keuchel, auf Twitter bekannt als @frischkopp.

    Geschmack. Es gibt Cafés, wo es nur frisches Sushi gibt, wo es eine Auswahl an mexikanischem oder indischem Essen gibt oder wo ich mir eine Nürnberger Rostbratwurst mit Kartoffelpürree und Sauerkraut bestellen kann. Bei uns arbeiten Menschen unterschiedlichster Nationen und das wird entsprechend berücksichtigt. Google versüßt einem die Arbeit aber auch durch andere Annehmlichkeiten. Was die Bezahlung anbelangt, liegen wir im Schnitt. Rundherum stricken wir aber ein sehr angenehmes Paket. In den USA bieten wir zum Beispiel kostenlose Arztversorgung für die Mitarbeiter, einmal im Monat kommt ein Truck – ein riesiger rollender Friseursalon – wo man sich kostenlos die Haare schneiden lassen kann. Um es kurz zu machen: Google ist ein ungewöhnlicher Arbeitgeber, bietet ein tolles Arbeitsumfeld und tolle Produkte, die nicht nur einzelne, sondern Massen von Menschen bewegen.

    Die Rahmenbedingungen scheinen zu stimmen, wie steht es aber um die andere Seite der Medaille?

    Wir arbeiten hier sehr hart, dass darf man bei all dem nicht vergessen. Für jedes Quartal werden Pläne erstellt, mit Zielen, die man erreichen möchte. Du wirst daran gemessen, ob Du Deine Ziele erreichst. Insofern: Bei allem Spielerischen und Angenehmen wird sehr genau darauf geachtet, dass die Mitarbeiter performen – dass sie ihre Arbeit machen und dass diese Arbeit auch gut ist.

    Wie wird die Arbeitsleistung beurteilt? Wie läuft das ab?

    Einmal im Jahr gibt es eine komplette Bewertung, für die man selbst fünf Leute benennen kann, die ihre Meinung zu deiner Arbeitsleistung abgeben. Dein Manager kann zusätzlich drei weitere Personen benennen. Das heißt: Die Bewertung deiner Arbeit setzt sich zusammen aus einem Self Review, einer eigenen Einschätzung deiner Arbeitsleistung, der deines Managers und denen deiner Kollegen – ein 360-Grad-Approach. Damit kann dir bei Google nicht passieren, was bei vielen Firmen der Fall ist: Man kommt nicht voran, weil man mit seinem Vorgesetzten nicht klar kommt. Die Bewertung durch deinen Manager hat zwar Gewicht, aber nicht mehr als die deiner Kollegen oder deine eigene. Nebenbei gibt es da noch so Kleinigkeiten. Zum Beispiel können Kollegen, mit denen Du zusammengearbeitet hast, dich für einen Bonus vorschlagen. Das alles macht Leistung und deren Beurteilung sehr transparent.

    Bevor man bei Google so richtig loslegen kann, muss aber noch das Bewerbungsverfahren überstanden werden. Wie hoch ist diese Hürde?

    Sehr hoch und wahnsinnig aufwändig. Er hat sich aber extrem gewandelt. Ich hatte zum Beispiel 14 Bewerbungsgespräche. Die haben sich über ein Jahr hingezogen. Der Gedanke dahinter ist: Du sollst mit all Deinen zukünftigen Schnittstellen geredet haben. Und jeder dieser Leute muss Deiner Einstellung zustimmen. Wenn einer Nein sagt, bist Du draußen. Insofern: Du wirst hier keine Leute treffen, die protegiert sind. Jeder muss sich selber beweisen. So wird in aller Regel auch verhindert, dass jemand ins Unternehmen kommt, der mit unseren Strukturen eben nicht umgehen kann. Damit standen wir aber oft auch unserem eigenen Wachstum im Weg. Viele Top-Leute haben so ein langwieriges Bewerbungsverfahren nicht nötig und springen ab. Mittlerweile hat sich dieser Prozess vereinfacht: maximal drei Monate, maximal acht Gespräche. Gerade für Deutschland ist das aber nach wie vor ungewöhnlich. Andererseits ist aber gerade das eine große Herausforderung an Google: Das Bewerbungsverfahren so zu verändern, dass Du einerseits nach wie vor die Top-Leute bekommst, dabei aber andererseits die Unternehmenskultur erhältst.

    Wie entstehen bei Google neue Produkte und welche Rolle spielt dabei die von Dir angesprochene Unternehmenskultur?

    Google-Produkte entstehen in der Regel aus sehr kleinen Teams heraus. An einem Produkt oder Projekt arbeiten in der Regel nicht mehr als fünf Leute. Die bekommen entsprechend Zeit, um Produkte zu verbessern oder neue zu entwickeln. Google gibt

    Auch in der Inneneinrichtung schlägt sich Unternehmenskultur nieder: Palmen im Büro.

    Auch in der Inneneinrichtung schlägt sich Unternehmenskultur nieder: Palmen im Büro.

    einem dabei Freiräume. Es gibt diese berühmten 20-Prozent-Projekte: Einen Tag in der Woche kann man für Dinge nutzen, die einen selber interessieren. Das kann, muss aber nichts mit Google zu tun haben. Software-Ingenieure nutzen diesen Freiraum häufig, um eigene Ideen weiter zu entwickeln. Über Wikis und firmeninterne Blogs können sie sich weltweit mit ihren Kollegen austauschen. Und früher oder später kann man die Idee seinem Manager präsentieren. Das funktioniert sehr gut. Aus solchen 20-Prozent-Projekten sind schon öfter Google-Produkte entstanden: Google News zum Beispiel.

    Wie geht Google mit den Ergebnissen dieses Freiraums um?

    Es hängt davon ab, wie sehr das Projekt mit Google zusammenhängt. Letztendlich geht es bis zu Marissa Mayer, Vice-President für Google-Produkte. Einmal die Woche hat Marissa Open Door und man kann ihr innerhalb von fünf Minuten, die Idee, an der man arbeitet, vorstellen. Wenn das etwas ist, das überzeugt und begeistert, dann werden Ressourcen – personell und finanziell – zur Verfügung gestellt.

    Die 20-Prozent-Regel passt sicherlich nicht ad hoc zu jedem Unternehmen. Wie schafft Google es, die notwendige Kreativität und Eigenverantwortung der Googler zu fördern?

    Es gibt so gewisse Grundsätze: „You don’t need to wear a suit to be serious” zum Beispiel. Natürlich habe ich einen Anzug und es gibt fünf Ereignisse im Jahr, wo ich den anziehen muss. Ansonsten sind wir frei, so herumzulaufen, wie wir uns wohlfühlen. Es spielt auch keine Rolle, ob Du um acht, um neun oder um zehn ins Büro kommst. Was Du machst ist wichtig. Und die Beurteilung Deiner Leistung erfolgt nach transparenten Kriterien (siehe oben). Zum anderen ist bei uns der Umgang miteinander bei weitem nicht so hierarchisch geprägt, wie in vielen anderen Firmen. Wir duzen uns alle. Klar, in einer Internet-Butze duzen sich sowieso alle, aber: Das trägt natürlich dazu bei, dass die Leute sich wohler fühlen. Es ist ein fast familiäres Zusammenarbeiten auf Augenhöhe. Wirklich jeder Mitarbeiter hat bei Google die Möglichkeit, seine Ideen rein zu bringen. Dabei spielt kein Titel eine Rolle. Ich will nicht sagen, dass das hier der Himmel ist, aber Google ermöglicht wirklich ein freies Arbeiten und schafft damit ein kreatives Klima.

    Es gibt die „10-Things“, 10 Dinge, die für Google erwiesen sind. Was macht für Dich den Kern dieser Philosophie aus?

    Wir legen großen Wert auf diese Kultur, aber sie ist schwer zu fassen. Es ist so eine Art Lebensgefühl, das, was wir Googliness nennen. Wir waren am Anfang ein relativ kleiner Haufen und wuchsen und wuchsen. Wir kamen an die Börse und es sind immer größere Erwartungen an uns gestellt worden. Dabei gab es immer die Befürchtung, dass diese Googliness verloren geht. Die Gründer von Google haben aber immer großen Wert darauf gelegt, die gewachsene Unternehmenskultur zu erhalten. Damit kann nicht jeder umgehen.

    Und wer es einmal erlebt hat, der wird es sein Leben lang nicht mehr vergessen. Das ist auch sicherlich ein Grund für die geringe Fluktuation, Googler sind einfach schwer vermittelbar :-)

    Wir danken für das Gespräch.

    Das Gespräch führten Thomas Pfeiffer und Michael Meister.

  • 12 Reaktionen

    Kommentare


    1. Warning: copy(/opt/lampp/htdocs/servers/webevangelisten.de/z-cache/gravatar/images/d2516d2d4f2786c73a6fe06ee8d48778.png): failed to open stream: Permission denied in /opt/lampp/htdocs/servers/webevangelisten.de/wp-content/themes/open-air/functions.php on line 649

      28. Januar 2010

      Hallo,

      wahrscheinlich läuft es in anderen großen Unternehmen nicht anders an, ab die Beschreibungen Keuschels haben schon etwas `sektenähnliches´…

      Zwei Fragen hätte ich: Was passiert, wenn die jährliche Bewertung negativ ausfällt und gibt es zu der Nürnberger Rostbratwurst mit Kartoffelpürree und Sauerkraut auch ´ne Souce dazu?

      Grüße

      Gretus

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      Frank Hübner
      (@4kmu)

      28. Januar 2010

      Sehr interessant zu lesen wie man bei Google arbeitet. da können sich viele Unternehmen eine Scheibe abschneiden

      (Antworten)


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      blogarithmen

      28. Januar 2010

      Wirklich toller Artikel. Liest sich fast wie im Film über amerikanische Unternehmen.
      Ich komme auch gleich noch mit einem Verbesserungsvorschlag an Google: Die Google-Hotline, wenn man sie dann endlich gefunden hat, ist sogut wie immer besetzt. Anfragen werden dort nur per E-Mail entgegen genommen und nicht beantwortet.

      Der 10dinge-Link funzt nicht.

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      Thomas Pfeiffer antwortete am Januar 28th, 2010 :

      Danke für den Hinweis zum verbogenen Link. Da hatte nur ein “l” am Ende gefehlt. Ist ausgebessert.

      Kann man denn die Hotline vielleicht per Fax erreichen? :-)

      (Antworten)


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      Nicolas Pöllmann
      (@npoellmann)

      28. Januar 2010

      Kompliment! Einen solchen Insider Einblick in die Unternehmenskultur bekommt man nur höchst selten serviert. Das System zur Beurteilung der Arbeitsleistung ist mehr als interessant. Wie viele Karrieren mögen bereits unglücklich verlaufen sein, nur weil man mit einem Vorgesetzten nicht konnte? Ein derartiges System in den verkrusteten deutschen KMU kann ich mir in absehbarer Zeit jedoch leider kaum vorstellen.

      (Antworten)


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      3. Februar 2010

      Okeee, mehr als interessant dieser Einblick in die Google-company! Wo kann ich meine Bewerbung hinschicken? :-)

      (Antworten)


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      Hasan
      (@tanidikca)

      12. Februar 2010

      Danke für das interessante Interview! :)

      (Antworten)


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      Andreas Herrmann
      (@werbekracher)

      14. Februar 2011

      Ich bin ein großer Bewunderer der Firma “Google”. Das hier beschriebene Personalauswahlverfahren ist für mich beeindruckend und rechtfertigt in jedem Fall den dahinter stehenden Aufwand - denn er senkt ganz sicher auch die Fluktuation und Fehlentscheidungen auf beiden Seiten.

      Meinen Respekt und meine Anerkennung für die Menschen - die google machen. :)

      (Antworten)

  • Trackbacks

    1. Googliness, das 20% Projekt | Jahrbuch der Kreativität
    2. Jetzt aber Butter bei die Fische – Organisationskultur gestalten | INSIGHT Pentamino
    3. Wie man Kreativität unterbindet | Hotwire PR German
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