Wider die Angst-PR: Nicht jeder braucht “Social Media”
WIR SIND MITTENDRIN, in der Social Media-Revolution! “Wie sich Menschen ihre Meinung bilden, unterliegt einem MASSIVEN Wandel”. Alles ist dramatisch. Menschen organisieren sich - und das auch noch “täglich”, “MILLIONENfach”!!! Und was machen die Unternehmen? Die nehmen nicht an der Debatte teil, und gehen damit das “Risk Of Ignoring (ROI)” ein.
Gut gebrüllt, ihr PR-Löwen! :-)
Aber ist das tatsächlich so? Gibt es eine Social Media Revolution? Und riskiert wirklich jedes Unternehmen ohne Facebook- und Twitteraccount, von der Masse draußen im (O-Ton) “Dschungel” angegriffen - und zerfleicht zu werden?
Ich glaube: Nicht jeder braucht “Social Media”!
Als Beispiele für den Social Media-Dschungel werden international gern “United breaks Guitars” und Kryptonite angeführt; in Deutschland sind das Jamba und noch aktuell der Fall Jako.
Die Geschichten sind schnell erzählt: Eine Fluglinie beschädigt Gepäck und ersetzt es nicht. Das teure Fahrradschloß eines namhaften Herstellers lässt sich mit einem Kugelschreiber knacken. Ein Klingeltonanbieter zockt Kinder und Jugendliche ab und macht verdeckte PR. Und ein Sportartikelhersteller mahnt einen Blogger ab, weil ein längst gelöscher Beitrag trotz Unterlassungserklärung in einer tschechischen Suchmaschine auftaucht.
Jedes Mal regte sich Widerstand im Netz (Social Media Apologeten würden sagen: “massiver” Widerstand), der dazu führte, dass das betroffene Unternehmen zurückruderte und sich entschuldigen musste. Diese Fälle werden, wie ich finde, dazu instrumenatalisiert, Unternehmen Angst zu machen, vor dem “Social Media Dschungel”, in dem Unternehmen von der geballten Macht der Masse in die Knie gezwungen werden. Die Angst wird geschürt, um dann die eigene Beratungs”leistung” zu verkaufen.
Aber schauen wir uns doch mal die Fälle genau an: In allen vier Fällen hat das Unternehmen einen kapitalen Bock geschossen. Die (PR-)Probleme der betroffenen Unternehmen waren also nicht “Social Media”-Probleme, die man mit einer guten PR-Agentur lösen oder gar vermeiden hätte können. Es waren hausgemachte, interne Probleme. Wer das Reisegepäck seiner Kunden beschädigt und nicht ersetzt, hat andere Probleme als PR. Wer knackbare Fahrradschlösser verkauft, sollte Ingenieure einstellen, anstatt PR- oder Social Media-Berater. Wer Klingelton-Abos an Minderjährige verkauft und verdeckte PR betreibt, sollte sich weder Unternehmensberater noch PR-Agentur leisten, sondern sich beim nächsten Start-Up Weekend anmelden und nach neuen Geschäftsideen suchen.
Keine Blaupausen für misslungene PR
Ich sage betont nicht, dass die Reaktionen im Netz den betroffenen Unternehmen zu Recht geschahen. Aber ich behaupte, dass die Probleme woanders liegen, nicht in Social Media, bzw. mangelndem Engagement auf Facebook,Twitter und Co. Und ergo taugen sie auch nicht für eine Angstmache in der Form, Social Media sei ein Dschungel und nur mit (teurer) PR-Beratung ließe sich das “bändigen”.
Hätten die vier erwähnten Unternehmen ihre Arbeit korrekt gemacht und auf die Kundenanfragen menschlich und respektvoll reagiert, wäre alles in Ordnung gewesen.
Ich denke, Unternehmen tun gut daran, sich über “Social Media” zu informieren. Das geschieht mit einem guten Buch, z.B. What would Google do? von Jeff Jarvis. Mit guten Gesprächen auf (Fach(fremden))-Messen und mit lesenswerten Blogbeiträgen, z.B. bei amendedestages.com und mediaclinque.
Und Sie sollten selber nachdenken. Denn das, ….. das hat noch keinem geschadet. :-)
Das, was momentan passiert, lässt sich nicht auf die Werkzeuge oder Plattformen wie Facebook, Twitter oder Blogs reduzieren. Natürlich klingt es etwas hoch gegriffen, aber ich denke, wir erleben hier tatsächlich den Anfang vom Ende der Massengesellschaft. *Darauf* müssen sich die Unternehmen einstellen, nicht auf die neueste heiße Plattform der Early Adopters.
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Bernhard Lermann antwortete am Oktober 12th, 2009 :
Die meisten Unternehmen sind per se darauf eingestellt, weil auch die meisten Produkte eigentlich Nischenprodukte sind. Sportklammotten bedienen nun mal auch eine Nische, wenn auch eine etwas größere. Aber interessanterweise existiert in vielen Köpfen noch das Bild vom “großen Durchbruch” in den Massenmarkt als Erfolgsmesser. Dafür strampeln sich viele Unternehmen (und auch Künstler) sinnlos ab und merken gar nicht, dass sie längst eine sehr loyale Gruppe an Käufern haben, die das Unternehmen eigentlich ganz gut trägt. Die Loyalität dieser Gruppe aufs Spiel zu setzen, um auf dem Massenmarkt sein “professionelles” Gesicht zu bewahren (obwohl man dort gar nicht wahrgenommen wird), das ist der Kardinalsfehler vieler Unternehmen.
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(@flobby)
In irgendeiner der Zahlreichen Social Media Präsentationen gab es einen sehr schönen Satz: “Social Media won’t fix your product!” Ich glaub das trifft den ersten Teil deiner Ausführungen recht gut.
Zurück zum Titel: Klar braucht nicht jedes Unternehmen Social Media, aber jedes Unternehmen kann es für sich nutzen. Die Angstmache ist meiner Meinung nach fatal und schafft eine noch höhere Barriere gegenüber Social Media. Das Ergebniss sind Skepsis bei neuen Konzepten aber um trotzdem “mit dabei” zu sein werden lieblose twitter Accounts aufgesetzt, Facebook Pages hingeschustert und ein mehr oder weniger zielführendes Blog aufgesetzt. Das Ergebnis ist dann meist deprimierend und endet in Resignation.
Nach meiner Auffassung liegt es an einem Unternehmen selbst ob es Social Media als Chance nutzen will oder hofft dass schon alles gut gehen wird. Sind wir mal ehrlich: Social Media hat zwar Pornographie im Internet als Hauptnutzung abgelöst und es werden auch viele Kaufentscheidungen über das Web getroffen aber um die Masse zu erreichen ist bei vielen Produkten Social Media nicht wirklich geeignet. Aber: Das Social Web wächst rasant. Wer früh dabei ist, kann sich Vorteile erhoffen.
Insgesamt eh eines der größten Probleme bei “Social Meda Experten”: Die Zielgruppe wird falsch eingeschätzt bzw. Social Media oft zu stark gewichtet unabhängig vom Produkt. Hauptsache dabei ist eher das Motto.
best,
flo
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gidonwagner antwortete am Oktober 11th, 2009 :
Ich denke, man kann für nahezu jedes Produkt mit Social Media-Kommunikation Reichweite gewinnen und einen Werbeeffekt erwirken. Das geht je besser, desto mehr vielfältige Plattformen mit unterschiedlichen Zielgruppen es im Netz gibt. Und dieser Wert steigt, zum Glück!
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flo bergmann
(@flobby) antwortete am Oktober 12th, 2009 :
Natürlich. Aber wir sind dann im longtail. Social Media wird ganz oft als reine Massenkommunikation verkauft, und das ist faktisch falsch. Man muss nicht in jedem Netzwerk etc. sein sondern in den Richtigen, das Richtige machen - wie du ja auch im weitesten Sinne argumentiert hast.
Social Media hat meiner Meinung nach übrigens nur Sekundär das Ziel einen direkten Werbeeffekt zu erzielen. Echte Dialog-Kommunikation, so wie sie erst durch das Internet möglich geworden ist, ist so etwas wie ein Goldschatz, der von vielen Unternehmen erst noch gehoben werden muss.
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finde gar nicht, dass der beitrag bitterböse ist. ich halte auch weder was vom social media zwang (du musst), noch was von social media ablehnung (du darfst nicht).
ich denke genauso, dass das grundproblem bei unternehmen die allgemeine unkenntnis über die neuen entwicklungen sind. ob und wie sie die neuen tools für sich anwenden oder nicht, ist der jeweiligen pr-strategie und der kompetenz überlassen.
das einzige, was ein unternehmen wirklich muss, ist von den social media techniken zu WISSEN.
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Seh ich sehr ähnlich das ganze. Irgendwann ist auch genug mit Social Media Präsenz bzw. es jeder Branche und jedem Unternehmen aufzuzwingen. Klar finden sich immer Fans und Follower und wenn jemand aus dem Unternehmen sowieso ein Social Media Addict ist, dann ist das auch eine super Sache Spaß mit Arbeit zu verbinden. Aber wirklich immer jeden dazu zu zwingen halte ich für sehr fraglich.
Da fällt mir gerade die Präsentation von Scott Monty ein. Der hat dort eine Bill Cosby Folge zitiert in der es über Kokain ging. Bill Cosby hat sich mit einem Bekannten unterhalten der Kokain total super fand und meinte “Das verstärkt meine ganze Persönlichkeit. Ich werde viel deutlicher wahrgenommen…” (frei übersetzt) und Bill Cosby antwortet: “Great, but what if you’re an asshole?”. Scott Monty meinte dann “Social Media is the Cocaine of Communication”. Ich denke das ist ein ganz netter Vergleich. Social Media verstärkt meine Tätigkeiten. Egal ob ich selbst in Social Media aktiv bin oder nicht. Hab ich Leichen im Keller und das kommt raus, dann wird das dank Social Media schnell verbreitet. Hab ich keinen Dreck am Stecken, muss ich nichts befürchten und mach ich sowieso gute Sachen, dann findet auch das den Weg in sämtliche Kanäle.
Wer nun allerdings Social Media “braucht” und wer nicht bleibt nun aber natürlich auch eine individuelle Sache. Wie wir ja kürzlich erst gelesen haben, hilft Social Media sogar in der Bestatterbranche… ;-)
Bottom line: Nicht jedes Unternehmen braucht Social Media. Es schadet aber auch nicht sich damit zu beschäftigen und dort präsent zu sein (das war jetzt noch der Agentureinschub ;-) ).
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dem kann ich prinzipiell zustimmen. erinnert mich an den klasse tweet von SocialMedia411: “Listen carefully: I DON’T WANT TO “INTERACT” WITH YOUR BRAND. I want you to produce a product / service worth buying!” (http://twitter.com/SocialMedia411/status/2618091163).
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(@norbert_hayduk)
Ich kann Benedikt nur zustimmen. Ich hole mir oft Meinungen über verschiedene Kanäle ein, um Entscheidungen zu treffen.
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Ich denke halt, dass solche Fälle in der Vergangenheit nicht so eine Lawine ins Rollen gebracht hätten. Blogs und Microblogs haben jetzt einen Dominoeffekt. Da wo Licht ist, ist auch Schatten. Zum Einen können dadurch Missstände schnell ans Tageslicht geführt werden. Zum Anderen kann aber auch ein kleiner Fehler eine Firma ziemlich in Schwierigkeiten bringen (ist der Ruf erst einmal beschädigt…).
Viele Grüsse
Thorsten
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(@kehrseite)
Was nützt PR und Social Media wenn das Produkt nicht stimmt? GARNICHTS. Der Vorteil ist, je mehr unmittelbares Feedback man bekommt desto schneller kann reagiert und verbessert werden.
Die Gefahren und das Potential ist viel höher als noch vor Jahren, weil mehr Kommunikation stattfindet.
Natürlich müssen dem zufolge auch mehr für den Bereich Kommunikation in Unternehmen beauftragt werden…
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Habe ich etwas verpasst? Ich selber habe von einem wilden Social Media-Dschungel im Internet noch nie was gehört (wenn man die Kommentare einsamer Männern unter Bildern junger Frauen auf Lokalisten einmal weg lässt). Trotzdem transportiert der Dschungel-Begriff etwas für Social Media sehr Passendes: Um den Kunden hindurch zu führen, muss man die richtigen Wege kennen.
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Ich stimme dem zu, dass nicht alle Unternehmen unbedingt Nutzen durch Social Media ziehen können.
Die Gefahrquellen sind dennoch nicht unerheblich und Unternehmen müssen lernen das richtig zu bewerten. Unzufriedene Kunden gab es schon immer und wird es immer geben. Das ein Teil dieser Leute sich einen wie auch immer gearteten Weg an die Öffentlichkeit sucht, ist aber auch nicht neu.
Unternehmen sollten Social Media im Auge behalten und monitoren, was für ein Bild vom Unternehmen dort abgebildet wird. Darauf kann man dann im Bedarfsfall reagieren.
Eigene Social Media Aktivitäten von Unternehmen sollten im Vorfeld auf deren Nutzen hin hinterfragt werden. Dabei spielt insbesondere das Verhältnis von Aufwand und Nutzen eine Rolle. Und da kann dann schnell heraus kommen, dass Social Media (noch) keinen Sinn macht.
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Hallo zusammen
kann dem Artikel nur zustimmen.
Es ist doch das Problem einer jeder Firma, wie bekomme ich Käufer/Benutzer Feedback über meine Produkte die im Internet bewertet werden sowohl positiv als auch negativ. Viele Firmen sind aber leider nicht daran interessiert ihre Produkte zu verbessern sondern sind auf Gewinnmaximierung gepolt. Dann kommt noch Social Media hinzu und schon geht alles schief wegen Überforderung. Das Thema Social Media ist bei vielen Firmen noch nicht angekommen und richtig gute Berater zu dem Thema gibt es zuwenige. Viel zu schnell verkommt Social Media in den Unternehmen zu einem lästigen Anhängsel.
Hier müssen die Firmen monatliche Messungen machen, alle 3 bis 6 Monate Auswertungen mit externen Beratern untersuchen. Viel zu schnell schleicht sich die Betriebsblindheit ein, was hier fatale Auswirkungen haben kann.
Ok wir Twitterer und Facebooker sind in Deutschland oft noch am Anfang aber es gibt Leute die schon sehr genau wissen in welche Richtung es geht und gehen muss.
Grüße Joachim
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Angst ist ein schlechter Ratgeber. Zuhören ist der erste Schritt in Social Media und das schadet niemandem. Weder dem Unternehmen noch seinen Beratern. Dann gilt es aber im Gesamtkommunikationsmix abzuwägen, welche Rolle Social Media spielen soll. Ich sehe SM als Ergänzung zur klassischen PR. Und letztlich ist es kein “Hokuspokus” sondern Handwerk und Knochenarbeit.
Neu an Social Media ist, dass jeder Vorfall (ob gut oder schlecht) viel mehr Zuschauer/Leser/Hörer hat.
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Was immer wieder schwer zu vermitteln ist:
Ja, es findet gerade “etwas” statt, was viele wenn nicht die meisten Bereiche des Alltages in unserer westlichen, industriellen Gesellschaft verändert / verändern wird. So wie vor etwas über zehn Jahren Internet genauso ein Thema war. Und davor mit Computern.
Redet heute noch jemand, warum man im Internet präsent sein sollte? Nein, es ist Alltag. Die Anfänge waren aber 95-98 erkennbar; genauso wie man heute mit Social Media erkennen kann, daß sich etwas verändert.
Wobei Social Media nur ein Platzhalter ist für das wolkige, unbeschreibare. In ein paar Jahren werden wir es besser wissen - und alle Firmen, die sich nicht schon heute damit auseinandersetzen ob und wie es sinnvoll anwendbar ist, werden dann später einfach einen höheren Aufwand haben. Auch das ist eine Strategie.
(Antworten)