So trickst man mit Statistik
Umfragen sind eine feine Sache: Wenn man die richtigen Fragen stellt und eine repräsentative Stichprobe hat, kann man seine Finger auf den Puls der Zeit legen und wertvolle Erkenntnisse gewinnen. Auch die Webevangelisten haben schon mehrere Umfragen durchgeführt und ich (Thomas Pfeiffer) beschäftige mich intensiv mit der Gestaltung von Meinungsumfragen und sozialwissenschaftlichen Erhebungen.
Auch der Ärztenachrichtendienst (zugangsbeschränkt, Danke an Jens Arne Männig für den Screenshot) hat die Vorteile von Umfragen erkannt und stellt seinen Mitgliedern in einer sogenannten „Blitzumfrage“ die Frage
„Wie zufrieden sind Sie mit der Arbeit der FDP?“
Die sechs Fragen lauten:
- Haben Sie bei der letzten Wahl Wahlkampf im Warte- und/oder Sprechzimmer gemacht?
- Haben Sie dabei direkt oder indirekt die FDP unterstützt?
- Sind Sie mit der Arbeit der FDP in der Gesundheitspolitik bisher zufrieden?
- Haben Sie selbst bei der letzten Bundestagswahl FDP gewählt?
- Würden Sie, wenn jetzt Bundestagswahl wäre, FDP wählen?
- Würden Sie, wenn jetzt Bundestagswahl wäre, Ihren Patienten empfehlen, FDP zu wählen?
An den Fragen drei bis fünf ist nichts auszusetzen. Hier versucht man, ein Stimmungsbild über eine spezielle Klientel zu gewinnen. Aber bemerkenswert sind die Fragen eins, zwei und sechs! Welches Motiv steckt hinter diesen Fragen? Erkenntnisgewinn kann es kaum sein. Was sollte sich an der Politik der FDP ändern oder am Wahlkampfmaterial, wenn man weiß, wie viel Prozent der Ärzte Wahlkampf (für die FDP) im Sprechzimmer machen? Will man daran die Auflage gesundheitspolitischer Prospekte orientieren? Das ist schwer vorstellbar und wäre lächerlich.
Vielmehr drängt sich der Verdacht auf, dass diese scheinbar harmlosen Fragen einen für den Umfrageersteller wichtigen Appell enthalten: „Wie wär‘s denn mal mit FDP-Wahlkampf im Sprechzimmer!?“
20% auf alles - außer …
Ein überaus harmloses Beispiel, dass diese Sichtweise verdeutlicht, ist die Kampagne eines großen deutschen Baumarkts: „20% auf alles – außer ….“. Fällt Ihnen ein, außer auf „was“? Ein wichtiges Kommunikationsziel dieser Kampagne dürfte gewesen sein, dass man außer Schrauben und Blumenerde auch Tiernahrung verkauft – und sich dadurch von der Konkurrenz abhebt. Ein harmloses Beispiel, die Tiernahrung im Baumarkt!
Aber ist die „FDP-Wahlkampf-Umfrage“ beim Ärztenachrichtendienst auch harmlos? Ist das Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Arzt nicht zu intim für Parteipolitik?
An sich ist wenig einzuwenden gegen die Aussage: „Liebe Ärzte, macht Werbung für die FDP!“ Aber ich persönlich stufe es als gewisse Perfidie ein, diese Aussage stark verklausuliert in einer Umfrage zu verstecken. Zusätzlich perfide wird das, wenn, wie in der Einleitung zur Umfrage angekündigt wird, die Ergebnisse hernach der allgemeinen Presse bekannt zu geben (wenn die sie dann abdruckt). Da würde dann auf eine fadenscheinige Umfrage verwiesen und mitgeteilt, dass x % der befragten Ärzte ihren Patienten empfehlen, FDP zu wählen. Wo liegt der Erkenntnisgewinn - außer in dem Hinweis zwischen den Zeilen, dass doch auch mal zu tun?
Die vier Seiten einer Nachricht
Der Psychologe und Kommunikationswissenschaflter Schulz von Thun hat die vier Seiten einer Nachricht formuliert: Sachebene, Selbstoffenbarung des Senders, Beziehung zwischen Sender und Empfänger und Appell an den Empfänger. Die Appellfunktion scheint mir bei dieser Umfrage im Vordergrund zu stehen: Lobbyarbeit für eine politische Partei – im Sprechzimmer des Arztes.
Über die Selbstoffenbarung dieser Botschaft über den Ärztenachrichtendienst bzw. die FDP mag sich jeder Leser seine eigene Meinung bilden.
Traue keiner Statistik (Umfrage) die du nicht selbst erstellt hast!
Aber ja Frage 1,2 und 6 sind schon seltsam.
(Antworten)