Auf eine Zigarette mit Bayerns bloggendem Staatsfeind Nr. 1
Der Journalist Stefan Aigner betreibt im bayerischen Regensburg die Netzzeitung Regensburg Digital. Seit zwei Jahren berichtet er vornehmlich aus der Kommunalpolitik der CSU-geführten Stadt. Überregional bekannt wurde Aigner durch seinen Rechtsstreit mit dem Waffenhersteller Diehl, dem er nicht öffentlich vorwerfen durfte, Streumunition herzustellen. Jetzt traf er sich mit den Rechtsanwälten des Möbelkonzerns XXXLutz vor dem Regensburger Landgericht.
Thomas Pfeiffer: Stefan, warum braucht es in Regensburg überhaupt eine weitere Tageszeitung?

Legt sich gern mit Größeren an: Der Blogger Stefan Aigner (nicht im Bild :-).
Die hiesige Tageszeitung (Mittelbayerische Zeitung) hat in Regensburg quasi eine Monopolstellung. Der Verleger Peter Esser ist IHK-Präsident, er ist am lokalen Radio, TV beteiligt und hat diversen Anzeigenblätter und Monatsmagazine am Start. Da wird’s etwas eng mit der Informationsvielfalt. Diese Monopolstellung ist übrigens kein spezifisches Regensburger Problem.
In Passau ist es mit der PNP ähnlich. regensburg-digital.de verfolgt nicht den Anspruch, die Tageszeitung zu ersetzen. Wir wollen eine Gegen- oder besser Zusatzöffentlichkeit bieten, wo der Schwerpunkt auf andere Themen gelegt wird, z.B. den Umgang mit Asylbewerbern oder auch mal die Nachteile von ansonsten hochgejubelten Bauprojekten. Wir wollen einen etwas anderen Blick auf einige Immobilien- oder Grundstücksgeschäfte in Regensburg werfen, die in der Tageszeitung eher gelobhudelt werden oder auch mal Unternehmensnachrichten bringen, die nicht gefärbt sind von dicken Anzeigenaufträgen, die ein Konzern wie XXXLutz an die Tageszeitung vergibt. Außerdem bieten wir ein sehr offenes Kommentar-Forum, in dem jeder ungeschminkt seine Meinung sagen kann; auch wenn’s der Redaktion manchmal weh tut …
Du berichtest zwar schwerpunktmäßig über kommunale Themen, schaust aber immer wieder über die Stadtgrenzen hinaus. Als Mitte 2008 der Rüstungs-Unternehmer Werner Diehl einen Verdienstorden vom damals wahlkämpfenden Günther Beckstein erhielt, führte Deine Berichterstattung zu einem Gerichtsprozess. Warum?
Ich hab eine Bombe aus dem Hause Diehl nicht so bezeichnet, wie es sich der Waffenfabrikant gewünscht hat. Es geht um das Geschoss SMART 155, das mehrere NGOs (z.B. Bündnis Landmine, Handicap International), Zeitungen, Munitionsexperten oder damals noch die Republik Österreich als Streumunition bezeichnet haben. Das habe ich auch getan und nebenbei noch die Nazi-Geschichte des Unternehmens ins Spiel gebracht. Diehl sah das als geschäftsschädigend an und hat mich verklagt. Interessant daran ist, dass Diehl vorher jahrelang mit Streumunition gutes Geld verdient hat und jetzt plötzlich damit nicht mehr in Verbindung gebracht werden wollte. Immerhin wurde gerade ein weltweites Verbot von Streumunition diskutiert. Die neue Diehl-Bombe wurde auf Druck der Bundesregierung von dem Verbot ausgenommen und firmiert jetzt unter “intelligente Streumunition”.
Vor Gericht schlossen wir dann einen Vergleich. Diehl zahlte die Verfahrenskosten, dafür musste ich eine Einstweilige Verfügung akzeptieren. Ich muss künftig zwischen herkömmlicxher Streumunition und der SMART 155 stärker differenzieren, hat mir der Richter geraten. Grünen-Chefin Claudia Roth sieht die SMART 155 übrigens nach wie vor als Streumunition an, die verboten werden müsste. Insgesamt ist die Sache gut ausgegangen. Es gab großes Medienecho und heute wissen mehr Leute über Diehl Bescheid als vorher.
Du hast Dich vergangene Woche wieder mit einem Konzern vor Gericht getroffen. Wie ist es gelaufen?
Hervorragend. XXXLutz — laut Eigenwerbung der weltweit zweitgrößte Möbelkonzern — ist mit seinem Versuch gescheitert uns den Mund zu verbieten. Per Unterlassungserklärung wollte man uns untersagen, die Tatsache zu berichten, dass im Verkauf bei XXXL Hiendl Passau die Quote der Vollzeitbeschäftigten auf unter 30 Prozent reduziert wurde. Wir haben uns gerichtlich gegen diese Abmahnung gewehrt und heute in allen strittigen Punkten recht bekommen.
Solche Verfahren sind sehr schnell sehr teuer. Wie finanzierst Du Diene Zeitung/Dein Blog?
Es sind zwei Standbeine. Zum einen ganz traditionell über Anzeigen, auch wenn die gerade im lokalen Bereich schwer zu bekommen sind, wenn man ab und zu dem Oberbürgermeister oder der Stadtratsmehrheit auf die Zehen tritt. Andererseits gibt es den Verein zur Förderung der Meinungs- und Informationsvielfalt e.V..
Es wird in der Netzgemeinde immer wieder über den vermeintlichen Graben zwischen Bloggern und Journalisten gestritten. Bist Du Blogger oder Journalist?
Kommt darauf an, ob man Blogger als despektierliche Bezeichnung sieht. Das tue ich nicht. Es kommt immer darauf an, was der Journalist oder Blogger macht. Ich sehe regensburg-digital.de als Blog mit journalistischem Anspruch. Ich stütze mich bei meiner Berichterstattung auf Fakten, die ich recherchiert habe, verfälsche nichts und lüge nicht. Ich erlaube mir aber auch, eine klare Haltung zu vertreten. Das ist legitim und ehrlicher als dem Leser eine Objektivität vorzugaukeln, die es in Wirklichkeit nicht gibt. Nur weil ein Text sich objektiv liest, ist er das noch lange nicht. Der Kommentar fängt beim Weglassen an und in den traditionellen Medien fehlen häufig ganze Themenblöcke.
Danke für das Interview.
Disclaimer: Ich bin mit Stefan Aigner sehr gut befreundet.