• Kleine Twitterwelt

    Twittern

    Wie oft muss man in Twitter-Deutschland im Schnitt geretweetet werden, damit man jede/n andere/n erreichen könnte? Theoretisch.

    In der Soziologie kennt man das “Kleine-Welt-Phänomen”: Jeder Mensch auf der Welt ist über maximal sechs Ecken mit jedem anderen bekannt. Vom Berliner Yuppie bist zum Yanomami in Südamerika sind nur sechs Zwischenschritte nötig, wenn sich beide einen Brief schreiben möchten.
    Als erster beschrieb dieses Phänomen der amerikanische Psychologe Stanley Milgram (der auch das berühmte Milgram-Experiment durchgeführt hat).

    Nun habe ich das SmallWorld-Phenomenon für die deutschsprachige Twitterwelt nachgerechnet.

    Ich habe überprüft, wie oft ein Tweet von den deutschsprachigen Followern und deren Followern (und so weiter) ge-retweetet werden muss, damit man jeden beliebigen anderen Account erreichen könnte. Natürlich re-tweetet nicht jeder, man liest nicht mal alle Tweets. Mir ging es nur um die theoretische Möglichkeit, jeden beliebigen anderen deutschsprachigen Twitterer zu erreichen.

    Im Schnitt muss man nur 2,1 mal ge-retweetet werden, damit ein eigener Tweet einen beliebigen anderen Account erreicht.

    Das ist deutlich weniger als die sechs Zwischenschritte des “Kleine-Welt-Phänomens”. Erkären lässt sich das damit, dass im deutschsprachigen Raum derzeit monatlich etwa 50.000 bis 60.000 Menschen aktiv twittern, und jede/r davon im Schnitt 110 Follower hat.
    Ich habe überprüft, wie sehr sich die Follower von zwei Accounts, die sich gegenseitig folgen, überschneiden. Im Durchschnitt überlappen sich nur 13,8% “meiner” Follower mit den Followern eines beliebigen Followers von mir.

    Wenn also jmd. tweetet, erreicht er damit im Schnitt 110 Personen.
    Wenn jeder retweeten würde, wären das (nicht 110*110=12.100, sondern wegen der Überlappung) 110*84,8=9.328 Accounts, die erreicht würden. Wenn das nun wieder jeder re-tweeten würden, könnte man jeden beliebigen anderen Twitterer in Deutschland, Österrreich und der Schweiz erreichen.

    Einschub: Ich habe den Verbindungspfad zwischen zwei Accounts einmal unter der Prämisse analysiert, wenn jeder seine Follower zufällig aussuchen würde und dabei zwischen 10 und 210 Follower hätte (was dem echten Durchschnit von 110 Followern entspricht). Die Überlappung meiner Follower mit den Followern eines beliebigen Followers von mir betrüge dann im Schnitt nur 3,9%, die durchschnittliche Entfernung zwischen zwei Accounts nur 1,75.

    Stärke schwacher Bindungen

    Der vorliegende Befund unterstützt die These, dass man mit Twitter besonders schwache Bindungen aufbauen und unterhalten kann. Also Bindungen mit Personen, zu denen man ansonsten keine Verbindnung hat. Darüber gelangt man an neue (=fremde) Ideen und Meinungen, an die man über seinen (engsten) Freundeskreis gar nicht gekommen wäre.
    Mehr dazu im Beitrag Die Stärke schwacher Bindungen in Twitter.

  • 9 Reaktionen

    Kommentare


    1. 1. Mai 2009

      Interessante Überlegung, aber in der Ausführung stoße ich mich an ein paar Dingen.

      “Überprüfen” klingt für mich, als hättest du die Theorie empirisch überprüft. “Ausrechnen” würde es klar machen.

      Die Zahl 50000-60000 ist falsch, solange du nicht dazu schreibst, dass dies für aktive Twitterer in einer Woche gilt oä.

      Mir erscheint die Zahl der 110 Follower für den als Durchschnitt sehr groß und mich würde interessieren wie groß dein Sample war.

      Abschließend befürchte ich, dass die Rechnerei für die Realität keinerlei Aussage hat.

      (Antworten)

      Thomas Pfeiffer antwortete am Mai 1st, 2009 :

      Hallo Luca,

      danke für Deine Anmerkungen. Die ersten beiden habe ich “eingebaut”.

      Grundlage für die Berechnung waren die Datensätze von ~65.000 Twitteraccounts, die seit Mitte März aktiv auf deutsch getwittert haben.

      (Antworten)

    2. Markus Jakobs

      1. Mai 2009

      Hallo Thomas,
      danke für die Rechnung.

      Wurde die deutsche Sprache bei den Followern der geprüften Profile festgestellt? Nach meinen Schätzungen sind über 70% Followspam auf deutschen Profilen englischsprachig.

      Mir erscheint die Zahl 110 auch recht hoch.

      (Antworten)

      Thomas Pfeiffer antwortete am Mai 1st, 2009 :

      Hallo,

      ja, in die Berechnung sind nur solche Accounts eingegangen, die innerhalb der letzten sechs Wochen mindestens dreimal auf deutsch getwittert haben.

      Beim Durchschnitt musst Du bedenken, dass Accounts wie @saschalobo oder @csommer den Schnitt gehörig in die Höhe treien.

      (Antworten)


    3. 1. Mai 2009

      Hallo Thomas,

      der Denkansatz ist durchaus interessant - wenn auch zu vielen theoretischen Annahmen behaftet, um damit real etwas machen zu können. Eine entscheidende Bedingung fehlt aber offenbar, wie auch Markus Jacobs schon angemerkt hat:

      Es ist m.E. notwendig, nicht nur bei den Ausgangsaccounts, sondern auch bei den Followern dieser Accounts deutschsprachige Tweets zur Bedingung zu machen. Wenn jemand 100 Follower hat, davon aber 50 Prozent aus USA (muss nicht nicht mal Spam sein), dann wird die RT-Quote dieses Accounts darunter leiden. Ein US-Account retweetet keine deutsche Tweets, egal wie gut sie sind.

      (Antworten)

      Thomas Pfeiffer antwortete am Mai 1st, 2009 :

      Hallo Ulrike,

      Marcu, Du und ich, wir haben recht.
      Ich habe in der gesamten Analyse ausschließlich auf deutsch Twitternde berücksichtigt.

      Was man damit real machen kann? Nicht, denke ich. Es hat mich einfach so mal interessiert, wie “breit” Twitterdeutschland ist.

      Grüße
      Thomas

      (Antworten)

    4. Bernd eckenfels

      9. Mai 2009

      Ich glaube es wäre sinnvoll auf dem social Graph einfach ne Monte Carlo simmulation anzusetzen. Mehrfach 2 accounts auswählen und Abstand berechnen.

      (Antworten)

      Thomas Pfeiffer antwortete am Mai 9th, 2009 :

      Danke.

      Genau das habe ich getan; mit 100 Account-Paaren.

      (Antworten)

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